Dez 20

(20.12.2018)

„Tatort: KI“ – Interview mit den Drehbuchautoren
Florian Iwersen und Stefan Holtz

Im München-Tatort „KI“, der am 21.10.2018 erstausgestrahlt wurde, spielt das Thema Künstliche Intelligenz eine entscheidende Rolle. Die Kommissare Franz Leitmayr und Ivo Batic sehen sich in diesem Fall mit einem komple­xen KI-Programm namens Maria konfrontiert. Maria, mit der die 14-jährige Melanie vor ihrem Verschwinden intensiv kommuniziert hat, entpuppt sich als Raubkopie eines Programms, das im Rahmen eines Forschungs­pro­jekts der EU-Kommission entwickelt wurde. Um das Rätsel um Melanies Verschwinden zu lösen, müssen sich die Kommissare mit Maria auseinandersetzen und die KI quasi als Zeugin vernehmen.

Idee und Drehbuch zum Tatort: KI stammen von den Autoren Florian Iwersen und Stefan Holtz. Das Team von MINTEEE hat sich mit ihnen getroffen und sie zum Entstehungsprozess und zu den Hintergründen befragt.

Wie kam es zu der Idee, KI zum Thema eines Tatorts zu machen?
Das Thema hat uns schon länger beschäftigt. Nachdem unser Tatort „Die letzte Wiesn“ so erfolgreich war, gab es beim Bayerischen Rundfunk einen Vertrauensvorschuss, auch mal eine ausgefallene Geschichte angehen zu können. Der eigentliche Plot ist dann aber erst in der Recherche entstanden. Es ist oft so, dass man tiefer in die Materie eintauchen muss, ehe man die Brücke schlagen kann, zwischen einem interessanten Thema und dessen emotionaler Umsetzung.

Haben Sie aus Autorensicht den Eindruck, dass sich in der deutschen Fernsehlandschaft etwas verändert, was die Offenheit gegenüber „Technischen Themen“ in der Fiktion angeht?
Durch die Konkurrenz der Streaming-Dienste ist einiges in Bewegung geraten. Horizontales Erzählen ist beispielsweise einfacher geworden. Technische Themen in Form eines Science-Fiction haben es aber nach wie vor schwer. Auch wir haben beim Entwickeln der Geschichte gemerkt, dass es schwierig für einen Sonntagabend-Krimi ist, den klassischen Science-Fiction-Topos einer außer Kontrolle geratenen Künstlichen Intelligenz zu verwenden. Wer soll glauben, dass ausgerechnet irgendein Start-Up in Deutschland eine starke KI entwickelt hat, während die großen Unternehmen im Silicon Valley davon noch weit entfernt sind? Ufos landen ja auch immer nur in Amerika.
Bei uns besteht die Auflösung deshalb nicht darin, dass die Künstliche Intelligenz ein Bewusstsein entwickelt. Sie ist nicht Akteur im Krimi. Es geht in unserer Geschichte eher darum, wie wir als Menschen auf etwas reagieren, dem wir intelligentes Verhalten zusprechen. Das war der Aspekt, der uns interessiert hat, und von dieser Warte aus haben wir uns dem Kriminalfall angenähert.

War der Aufwand für die Recherche bei diesem speziellen Thema höher als sonst? Wie sind Sie konkret vorgegangen?
Recherche ist immer das A und O. Manche Aspekte einer Geschichte findet man erst heraus, wenn man mit Leuten „vor Ort“ spricht. Aber hier war der Aufwand noch mal um einiges höher, weil es auch um viele technische Fragen ging: Wie funktioniert „Deep Learning“? Wie muss eine KI designed sein, die ein flüssiges Gespräch mit einem Menschen führen kann? Und wie kann man eine solche KI in einem Rechenzentrum verstecken?
Wir haben dafür Kontakt mit Informatikern und Wissenschaftlern aufgenommen, die in diesem Bereich arbeiten. Sehr geholfen hat uns Dr. Florian Röhrbein, ein KI-Spezialist aus dem Bereich der Robotik, der an der TU München forscht und auch beim Human-Brain-Project beteiligt war. Aber auch das Leibniz-Rechenzentrum in Garching war sehr kooperativ. Wir bekamen die Gelegenheit, uns vor Ort ein Bild zu machen und mit den Mitarbeitern zu sprechen. Am Ende wurden auch viele der wichtigsten Szenen dort gedreht.

• Der „Tatort: KI“ erreichte bei seiner Erstausstrahlung ins­ge­samt 8,48 Millionen Menschen (24,0 % Marktanteil). Die Reich­weite bei den 14- bis 49-Jährigen betrug 2,44 Millionen (20,6 % Marktanteil).

• Eine Sammlung von Presse­stimmen finden Sie hier.

Sind Ihnen auch Vorbehalte von Wissenschaftler/-innen begegnet?
Nein. Im Gegenteil. Wir waren sehr überrascht, wie aufgeschlossen alle waren. Wir hatten erwartet, auf lauter Eigenbrötler zu treffen und nirgendwo hineingelassen zu werden. Aber dann waren die meisten neugierig und interessiert und wir konnten alles ansehen. Das hat uns beflügelt, und die Geschichte einen großen Schritt nach vorne gebracht.
Allgemein haben wir die Erfahrung gemacht, dass es von wissenschaftlicher Seite das Bestreben gibt, die eigenen Forschungsinhalte auch zu kommunizieren. Es ist selten, dass ein Austausch abgelehnt wird. Man merkt, dass man es da mit Überzeugungstätern zu tun hat.

Haben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, mit denen Sie gesprochen haben, auch eigene Ideen zum Plot beigesteuert?
Wir hatten uns gut vorbereitet und konkrete Fragen mitgebracht, weil wir das Setting der Geschichte bereits im Kopf hatten. Auf der Basis der Antworten sind wir dann auf weitere Ideen gekommen, die wir erneut besprochen haben. Das Schöne daran war, dass unsere GesprächspartnerInnen so begeisterungsfähig waren, dass sie selbst Initiative entwickelt haben und eigene Lösungsansätze hatten, die hilfreich waren.
Eine Frage war dabei: Wie spricht eine KI überhaupt? Was hat sie für einen Wortschatz? Wie sieht es mit ihrem Sprachverständnis aus? Wir wollten natürlich, dass man mit ihr in einen Dialog treten kann. Aber wir wollten nicht, dass die Zuschauer deswegen sofort in eine Abwehrhaltung geraten und denken: „So was geht doch gar nicht.“ Insofern war die Kommunikation mit der Maschine eine große Herausforderung für uns. Auch die Schauspieler mussten da für sich zuerst den richtigen Ton finden.

Hat das LRZ dann auch die Dreharbeiten unterstützt?
Ja. Dafür hat sich der Herr Dr. Palm, der dort für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, eingesetzt. Er hat sich informiert, welchen Aufwand die Dreharbeiten ganz praktisch bedeuten, und danach der Direktion empfohlen, den Film zu unterstützen. Natürlich bestand auch das Interesse, das LRZ als Forschungszentrum mit seinen schnellen Rechnern zu zeigen und es ins allgemeine Bewusstsein zu bringen.

Gab es für die Figur der jungen Wissenschaftlerin und ihre Haltung ein Vorbild in der Realität? Sie übernimmt ja die – üblicherweise Männern vorbehaltene – Rolle des verantwortungslosen „Mad Scientist“.
In der Realität waren die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, mit denen wir zu tun hatten, anders. Eher älter und vom äußeren Erscheinungsbild her konservativ, aber in der Sprache und im Denken sehr beweglich.
Wir haben uns bewusst entschieden, diese Figur zu überhöhen. Das hat auch damit zu tun, dass es im klassischen Krimi immer darauf ankommt, die Spannung hochzuhalten und das Publikum möglichst lange im Unklaren darüber zu lassen, wer etwas mit der Tat zu tun haben könnte.
Entwickelt haben wir die Figur zusammen mit dem Regisseur Sebastian Marka. Er hatte die Idee, sie sehr viel jünger zu machen, als wir zunächst gedacht hatten. So ist daraus eine Hochbegabte geworden, die schon früh an die Uni gekommen ist und dort auch gleich in diesem Forschungsprojekt mitarbeiten konnte. Von Vornherein war aber klar, dass es sich dabei um eine Frauenfigur handeln würde. Bei Männern wird eine Computergeschichte schnell nerdig. Frauen können das noch einmal brechen. Sebastian Marka hat genau verstanden, worum es in der Geschichte geht. Deswegen konnte er auch den Finger in die Wunde legen, wo es noch nicht gestimmt hat. Er fand zum Beispiel die Exposition zu ausführlich und hat dafür plädiert, nicht zu viel zu erklären, sondern bestimmte Informationen bewusst der Inszenierung zu überlassen. Denn es ist immer besser etwas selbst zu sehen, als es erklärt zu bekommen.