Impact für die Fiktion am Beispiel „Der Marsianer“
Die Verarbeitung von Themen aus Wissenschaft und Technologie hat in der Fiktion eine lange Tradition. Ein hervorragendes Beispiel dafür, welchen wesentlichen Beitrag hochrangige wissenschaftliche Expertise für eine fiktionale Verarbeitung haben kann, liefert der Kinofilm „Der Marsianer“ (Drehbuch: Drew Goddard. Regie: Ridley Scott), basierend auf dem Roman von Andy Weir, der mit einem Einspiel von rund 630 Millonen Dollar außerordentlich erfolgreich war.
„Der Marsianer“ entstand in sehr enger Zusammenarbeit mit der NASA. Wissenschaftlicher Berater war Dr. James L. Green, NASA’s Planetary Science Division Director, der als Gast bei der MINTEEE-Konferenz 2016 einen Vortrag unter dem Titel „»The Martian« – Science Fiction and Science Facts“ hielt.
Im Folgenden Interview gibt James L. Green Auskunft über diese Zusammenarbeit.
MINTEEE: Wie kam es zu Ihrer Mitarbeit am Film „Der Marsianer“?
JAMES L. GREEN: Als Ridley Scott sich entschied, die Regie des Films „The Martian“ zu übernehmen, der auf Andy Weirs gleichnamigen Buch basiert, war eines der ersten Dinge, die er tat, bei der NASA anzurufen, um einen Mars-Experten ausfindig zu machen. Als Direktor des „Planetary Science Program“ bei der NASA wurde diese Anfrage anschließend an mich weitergeleitet. Unser Dialog dauerte dann insgesamt etwa viereinhalb Monate. Zunächst schickte Ridley mir das Drehbuch und schon bei unseren ersten Gesprächen wurde klar, dass das Team echtes Mars-Equipment sehen musste. Ich nahm daraufhin Art Max, den Bühnenbildner, mit ins „Johnson Space Center“ der NASA, wo wir die Gelegenheit hatten, Modelle von Mars-Stationen zusammen mit echten Raumanzügen und der Bodenversion der Raumstation in Augenschein zu nehmen. Ridley wollte „Look and Feel“ des Films so nah an den Plänen der NASA und damit so realistisch wie möglich gestalten.
MINTEEE: Was hat ihn ihrer Meinung nach dazu motiviert?
JAMES L. GREEN: Ridley hat als Science-Fiction-Filmemacher seine eigene Art von Realismus, für die er auch bekannt ist. Und dann ist da noch der ökonomische Gesichtspunkt: Je weniger CGI man einsetzen muss, umso weniger kostet es – was eine gute Sache ist. Zum Beispiel wünschte Ridley sich reale Bildschirmfotos von realen NASA-Daten der Mars-Rover- Displays in unserem Kontrollraum, die im Film verwendet werden sollten. Er war so dankbar für all den technischen Support, den wir geleistet haben, dass er schließlich einen Werbespot für die NASA kreierte.
MINTEEE: Wie realistisch ist „Der Marsianer“?
JAMES L. GREEN: Sehr realistisch, und zwar in vielerlei Hinsicht. Von den Aufnahmen, die nach den tatsächlichen NASA- Standorten modelliert wurden, über die oben erwähnten Displays bis hin zu jenen Phänomenen in der Story wie etwa den „Dust Devils“ auf dem Mars, der potenziellen Wettervorhersage und den wüstenartigen Mars-Landschaften etc.
MINTEEE: Was hat Sie motiviert, diese Aufgabe zu übernehmen und mit dem Filmstudio zusammenzuarbeiten?
JAMES L. GREEN: Erstens handelt es sich im Film, genau wie im Buch, um eine Story über eine echte Wissenschaftsmission. Zweitens war es Ridleys Wunsch, alles so realistisch wie möglich zu gestalten. Wir sehen in dieser Art von Filmen eine echte Chance für die Wissenschaftskommunikation, also eine Chance, der Öffentlichkeit zu zeigen, was wir wirklich tun. Und jede Art von Wissenschaftskommunikation, ob Dokumentarfilme, TED-Vorträge oder Spielfilme, ist willkommen. Ich glaube, dass Wissenschaftskommunikation durch Fiktion essenziell ist und eine lange Tradition hat, die mit H. G. Wells begonnen hat. Obwohl Kompromisse natürlich notwendig sind, würde ich ein solches Projekt immer wieder begleiten, unter der Bedingung, dass das zugrunde liegende Material eine Geschichte aus der Wissenschaft unterstützt.
Wenn die NASA gebeten wird, Berater für ein Projekt zu sein, dann überprüfen wir das Material, das in einem Film oder einem Drehbuch verarbeitet werden soll, und dann achten wir auch noch auf bestimmte andere Merkmale. Ein Film muss nicht unbedingt superrealistisch sein. Science- Fiction wird als solche gesehen, aber es gibt bestimmte moralische Standards. Die NASA möchte aus dieser Perspektive mit einem guten Film in Verbindung gebracht werden, mit einem Film, der für die ganze Familie geeignet ist.
MINTEEE: Welches ist Ihrer Meinung nach der beste Zeitpunkt für einen Wissenschaftler, sich an der Entwicklung eines Films zu beteiligen?
JAMES L. GREEN: So früh wie möglich. Dramaturgische Entscheidungen sind oft finanzielle Entscheidungen. Wenn man von Anfang an dabei ist, dann stehen die Chancen besser, geeignete Vorschläge aus der Perspektive der Wissenschaft und neue Ideen einzubringen.
MINTEEE: Sind Sie selbst Science-Fiction-Fan?
JAMES L. GREEN: Das bin ich. Science-Fiction ist ein Vehikel für Bildung und Fantasie und kann auch der Wissenschaft neue Perspektiven eröffnen. Science-Fiction erzählt außerdem eigene Geschichten, die ihre eigene Berechtigung haben. Wenn ich als Wissenschaftler mir einen Science-Fiction-Film ansehe, dann gebe ich grundsätzlich mein wissenschaftliches Know-How an der Garderobe ab, gehe in den Saal und genieße den Film. Ich liebe viele Aspekte an Science- Fiction wirklich sehr. Ohne Science-Fiction, ohne die Möglichkeit, von unserer Zukunft zu träumen, haben wir keine Zukunft.