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MINT und Gender in deutschen Serien

Dr. Marion Esch

Insbesondere in amerikanischen Spielfilmen, TV-Movies und Serien ist in allen Genres ein Trend zu mehr MINT-Themen und zu mehr Frauen in geschlechtsuntypischen MINT-Berufen zu beobachten (vgl. Kirby 2011, Esch 2013, Kohlenberger 2015).

In Deutschland werden diese Formate vor allem von den privaten Free- und Pay-TV-Sendern und von Streaming-Diensten auf den Markt gebracht. Insbesondere beim jungen Publikum finden diese vornehmlich amerikanischen Produktionen großen Anklang.

Zeigt sich dieser internationale Trend zu mehr MINT und Chancengleichheit auch in der deutschen Fiction? In welchen Genres und professionellen Handlungsfeldern sind MINT-Protagonisten/-innen zu finden? Um diesen Fragen nachzugehen, wurden im ersten Schritt die Serienerstausstrahlungen der fünf großen Sender im Zeitraum von 01/2011 bis 05/2016 untersucht (Quelle: https://www.fernsehserien. de). Im zweiten Schritt wurden die Serien-Programmschemata im Untersuchungszeitraum vom 18.04. bis 01.5.2016 und vom 26.09. bis 10.10.2011 vergleichend analysiert.

SERIENERSTAUSSTRAHLUNGEN DER FÜNF GROSSEN SENDER SEIT 2011: ÖFFENTLICH-RECHTLICHE SENDER DOMINIEREN DEN MARKT DEUTSCHER SERIEN-EIGEN- UND –KOPRODUKTIONEN

Die Analyse der Erstausstrahlungen von angekauften und von eigen- und koproduzierten Serienformaten, die bei ARD, ZDF, RTL, Sat1 und ProSieben von 01/2011 bis 05/2016 auf den Bildschirm gekommen sind, verweisen auf die überragende Rolle der öffentlich-rechtlichen Sender auf dem Markt deutscher Eigen- und Koproduktionen (vgl. Grafik 1). Die Ergebnisse zeigen, dass bei den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht nur eine hohe Zahl und ein hoher Anteil von fiktionalen Eigen- und Koproduktionen, sondern auch eine insgesamt hohe Zahl an Neuerscheinungen zu finden ist. Demgegenüber ist die Zahl der Neuerscheinungen sowie der Anteil an Eigen- und Koproduktionen bei den privaten Free-TV-Anbietern eher gering. Unter den privaten Anbietern hat ProSieben die höchste Zahl an Neuerscheinungen und den geringsten Anteil an Eigen- und Koproduktionen zu bieten.

Die in Abbildung 2 dargestellten Ergebnisse der Analyse der Anteile der Genres bei den Serien-Erstausstrahlungen (Kaufproduktionen und Eigen- und Koproduktionen) verweisen auf deutliche Unterschiede bei den Genreprofilen und der Genrevielfalt zwischen den Sendern.

Krimidominanz bei den Erstausstrahlungen von ARD, ZDF und Sat1.
Besonders auffällig ist der bemerkenswert hohe Anteil an Krimis unter den Erstausstrahlungen der Sender, der durch eigene Vorläuferanalysen bereits in 2011 registriert wurde (vgl. Esch 2011). Im Untersuchungszeitraum besonders ausgeprägt – mit Anteilen zwischen 73 % und 69 % — ist die Dominanz der Krimis/Krimimixgenres bei den Serien-Erstausstrahlungen bei Sat1 (76 %), der ARD (73 %) und dem ZDF (69 %). Bei RTL, dem Sender mit der geringsten Zahl an Erstausstrahlungen, ist der Anteil deutlich geringer. Nur bei ProSieben, dem Sender, der in Deutschland das jüngere Publikum in besonderer Weise anspricht, spielt das Krimigenre bei den Erstausstrahlungen mit einem Anteil von 5 % eine nachrangige Rolle.

Science-Fiction, Superhelden- und Mystery-Serien nur bei ProSieben
Aus dem Spektrum der spannungsbetonten Genres sind bei ProSieben neben Krimis (4) das Science-Fiction-Genre (6) sowie Superhelden- (3), Mystery- (2) und History-Serien (3) zu finden.

Abgesehen von History-Serien sind diese spannungsbetonten Genres bei den Erstausstrahlungen der anderen Sender überhaupt nicht zu finden. Aus dem Spektrum der spannungsbetonten Genres sind bei den anderen Sendern einige wenige Politik-Thriller bei der ARD (2) und SAT1 (1), zwei Action- und Abenteuerserien bei der ARD (1) und RTL (1) und eine Justizdramedy bei RTL anzutreffen. History-Serien finden sich neben Pro Sieben bei den Erstausstrahlungen des ZDF (6) und der ARD (1).

Sitcoms dominieren die Erstausstrahlungen von ProSieben
Auch im Bereich der humorbetonten Komödiengenres unterscheiden sich die Genreprofile bei den Neuausstrahlungen der Sender erheblich. Bei ProSieben dominieren hier amerikanische Sitcoms, die mit 16 Neuankäufen zugleich den größten Anteil an den Erstausstrahlungen des Senders einnehmen. Zwar sind Comedys bei den Erstausstrahlungen aller anderen Sender vertreten. Sie haben auf allen anderen Sendern aber ein deutlich geringeres Gewicht. Nur bei RTL und beim ZDF ist jeweils eine Sitcom zu finden.

Familienserien, Romanzen, Soaps und Telenovelas bei ARD, ZDF und RTL
Familienserien, Romanzen, Soaps und Telenovelas haben bei den Erstausstrahlungen von ARD, ZDF und RTL ein höheres Gewicht als die humorbetonen Genres. Bei ProSieben sind diese Genres gar nicht zu finden. Medicals und Drama(mix)-Genres sind bei den Neuausstrahlungen aller Sender zu finden. Sie haben bei ProSieben den höchsten Anteil an den Erstausstrahlungen. Insgesamt hat das Genreprofil der Erstausstrahlungen von ProSieben die größte Ausgewogenheit zu bieten.

MINT-Protagonisten/innen in den zwischen Januar 2011 und Mai 2016 erstausgestrahlten deutschen Eigen- und Koproduktionen eine Seltenheit
Die Sichtung der Sendungsbeschreibungen der im Zeitraum Januar 2011 bis Mai 2016 ausgestrahlten neuen Serienproduktionen (Eigen- und Koproduktionen) der fünf großen Sender bestätigt zunächst eigene Untersuchungsbefunde aus 2011, wonach MINT-Protagonisten/-innen nur marginal vertreten sind (vgl. Esch 2011). In den deutschen Eigen- und Koproduktionen aller Sender im Untersuchungszeitraum ist nur eine ZDF-Krimi-Serieneigenproduktion zu finden, in der MINT-Figuren als Serien-Protagonisten/-innen in Erscheinung treten. Dabei handelt es sich um die vom ZDF seit 2016 ausgestrahlte Serie „Die Spezialisten – Im Namen der Opfer“ – eine Eigenproduktion, bei der die Forensik ins Zentrum rückt. Die Fernsehserie erzählt Geschichten aus der interdisziplinären Ermittlungskommission (IEK) des Landeskriminalamtes Berlin um die Rechtsmedizinerin Dr. Katrin Stoll, den Kriminalhauptkommissar Mirko Kiefer und die Kriminaltechnikerin und -biologin Inga Biehl, die ungelöste Kriminalfälle aufgrund neuer Indizien aufrollen und mit forensischen Methoden lösen.

DIE SERIEN-PROGRAMMPROFILE DER SENDER: MANGEL AN GENREVIELFALT UND KRIMIDOMINANZ HAT SICH IM VERGLEICH ZU 2011 VERSTÄRKT

Die Ergebnisse zu den Unterschieden in den Genreprofilen und der Genrevielfalt der Sender bei den Serien-Erstausstrahlungen spiegeln sich auch in der vergleichenden Analyse der Zwei-Wochen-Programmschemata der Sender. Vergleichend untersucht wurden die Programmschemata im Untersuchungszeitraum vom 18.04. bis 01.5.2016 und vom 26.09. bis 10.10.2011 (vgl. Esch 2011). Wie schon in 2011 dominieren auch in 2016 bei allen fünf Sendern langlaufende Serien das fiktionale Programm. Der bereits in 2011 registrierte Mangel an Genrevielfalt und die Dominanz von Krimis – insbesondere im Programm von ZDF und Sat1 – haben sich in 2016 noch verstärkt.

Krimidominanz hat beim ZDF im Vergleich zu 2011 noch zugenommen
War im ZDF-Programm in 2011 am Nachmittag noch die Krankenhaussoap „Herzflimmern“ zu finden, ist dieses Genre in 2016 bereits am Nachmittag werktäglichen Wiederholungen von Krimis aus der SOKO-Reihe gewichen. Eigen- und koproduzierte langlaufende Krimiserien dominieren auch das Vorabend- und das Primetime-Serienprogramm beim ZDF. Abgesehen von Krimiserien sind im Untersuchungszeitraum 2016 nur noch Medicals (Arzt-/ Krankenhausserien) und Familienserien zu finden. Standen 2011 auf dem Vorabend-Sendeplatz am Freitag noch „Die Rettungsflieger“ und das „Forsthaus Falkenau“ auf dem Programm, sind diese Formate in 2016 durch die Krankenhaus- bzw. Schwesternserie „Bettys Diagnose“ ersetzt worden. Auf dem Samstag-Vorabendsendeplatz ist die Familienserie „Da kommt Kalle“ ersetzt worden durch die Serie „Herzensbrecher“ – mit einem alleinerziehenden Pfarrer und seinen vier Söhnen im Zentrum. Anders als im Jahr 2011 sind in der Primetime im Jahr 2016 am Mittwoch zwei weitere Krimiserien hinzugetreten. Im Primetime-Programm ist nur am Donnerstag um 20.15 Uhr keine Krimiserie, sondern „Lena Lorenz“ zu finden. Hier steht eine Hebamme im Zentrum, die auf dem Land arbeitet und bei ihrer Mutter auf dem Bauernhof lebt.

Krimidominanz bei SAT1 noch ausgeprägter
Im Vorabend- und im Primetime-Serienprogramm von SAT1 sind nur noch Krimiserien zu finden. War im Jahr 2011 bei SAT1 außer am Sonntag im Nachmittags- und Vorabprogramm noch eine Telenovela zu finden, steht hier im Jahr 2016 werktags am Vorabend die eigenproduzierte Serie „Einsatz in Köln“ auf dem Programm. Im Primetime-Programm sind nur überwiegend amerikanische Krimi-Kaufproduktionen zu finden.

Auch bei der ARD stark zunehmendes Gewicht von Krimis und Krimikomödien mit Regionalcouleur
Bei der ARD finden sich im Jahr 2016 im Nachmittagsprogramm nach wie vor die gleichen Soaps und Telenovelas (Sturm der Liebe, Rote Rosen) wie im Jahr 2011. Die Vorabend-Soaps „Marienhof“ und „Verbotene Liebe“ sind in 2016 aus dem Programm verschwunden. Auch bei der ARD finden sich von Montag bis Mittwoch Krimi (-komödien) mit Regionalcouleur. Am Donnerstag wird mit „In aller Freundschaft“ – Die jungen Ärzte“ der Ableger der Primetime-Krankenhausserie „In aller Freundschaft“ und am Sonntag die traditionsreiche Serie „Die Lindenstraße“ ausgestrahlt. Auf den Primetime-Seriensendeplätzen sind am Dienstag die Familienserie „Um Himmels Willen“ – mit Nonnen und einem Kommunalpolitiker im Zentrum – sowie die erwähnte Krankenhausserie „In al ler Freundschaft“ vorzufinden. Am Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag werden auf den Serien- und Reihen- Sendeplätzen in der Prime Time ebenfalls nur Krimi-Serien und -Reihen ausgestrahlt.

Auch im Programm von RTL dominieren die Krimiserien
Wie bereits im Jahr 2011 sind bei RTL auch im Jahr 2016 werktäglich am späten Nachmittag und im Vorabendprogramm die langlaufenden eigenproduzierten Soaps „Unter uns“, „Alles was zählt“ und „GZSZ“ anzutreffen. Auf den Primetime-Seriensendeplätzen am Dienstag und am Donnerstag dominieren auch bei RTL Krimiserien das Serienprogramm. Als Eigenproduktion steht hier „Alarm für Cobra 11“ auf dem Programm, von der im Jahr 2016 am Donnerstag Doppelfolgen ausgestrahlt werden. Stand im Jahr 2011 neben Krimis am Dienstag noch die amerikanische Krankenhausserie „Dr. House“ auf dem Programm, sind in 2016 nur am Donnerstag Wiederholungen der Comedy-Eigenproduktion „Ritas Welt“ und der Schwesternserie „Nikola“ vertreten.

Sitcoms, Comedy und Sci-Fi-Formate bestimmen das Serienprogramm von ProSieben
Anders als bei allen anderen Sendern sind bei ProSieben keine Eigenproduktionen, sondern in erster Linie amerikanische Kaufproduktionen zu finden, wobei Krimis im fiktionalen Serienprogramm von ProSieben so gut wie keine Rolle spielen. Stand im Jahr 2011 noch die Krimiserie „Body of Proof“ mit einer Forensikerin im Zentrum auf dem Programm, ist im Jahr 2016 keine einzige Krimiserie mehr zu finden. Auf diesem Seriensendeplatz sind im Jahr 2016 mit „Greys Anatomy“ und „Black Code“ zwei Krankenhausserien programmiert. Dominiert wird das Serienprogramm von Sitcoms (u. a. „The Big Bang-Theory“, „Two and a half men“) gefolgt von Science-Fiction- und Mysteryserien, unter denen sich auch Zeichentrickformate wie die „Die Simpsons“ und „Futurama“ finden.

Ein verengtes Spektrum an Genres verengt das Spektrum an Themen und Berufsrollen in deutschen Eigen- und Koproduktionen
Eigenen Analysen der Themen und Protagonisten/-innen im fiktionalen Programmangebot aus 2011 zufolge haben in Übereinstimmung mit Analysen von Volker Gehrau bereits gezeigt, dass das verengte Spektrum an Genres auch das Spektrum an Themen und professionellen Berufsrollen und Programmen erheblich beschränkt (vgl. Esch, 2011, 10ff, Gehrau 2011, 2014). Angesichts der Dominanz von Krimis und Krimikomödien dominieren auch in 2016 Kriminalfälle in denen Ermittlungsteams, Kommissare/-innen und Polizisten/-innen, Anwälte/-innen, Richter/-innen und Detektive auftreten, mit weitem Abstand gefolgt von Krankheitsfällen und Unfällen und damit von Ärzten/-innen, Krankenschwestern und Pflegern/-innen, Krankenhäusern, Arztpraxen.

Die öffentlich-rechtliche Vorliebe für das Geschehen in der Provinz und im Kiez und für schöne Naturlandschaften
Darüber hinaus ist in den Eigen- und Koproduktionen von ARD und ZDF sowohl in den Krimiserien als auch in den Medizin- und Familienserien eine Vorliebe für das Geschehen in der Provinz und im Kiez sowie für schöne Naturlandschaften, Heimatidyll und Regionalcouleur zu konstatieren. Damit einhergehend treten Dorfpolizisten/-innen, Landärzte/-innen und -Hebammen, Bergdoktoren und Bergretter/-innen, Land- und Gastwirte/-innen, Förster und Tierärzte/-innen, Pfarrer/-innen, Nonnen und Kommunalpolitiker/-innen als Protagonisten/-innen in Erscheinung.

In den zahlreichen Krimis und Krimikomödien ist das Spektrum an Verbrechensarten außerordentlich verengt und weitgehend auf Morde beschränkt. Demgegenüber sind ein hohes Maß an föderaler Vielfalt und eine Präferenz für das Mordgeschehen in schönen Naturlandschaften oder in europäischen Kulturhauptstädten zu erkennen.

Sieht man von der Figur des Prof. Dr. Börne im „Münster-Tatort“ und der bereits erwähnten neuen Vorabendserie „Die Spezialisten – Im Namen der Opfer“ ab, treten Forensiker/-innen in den deutschen eigen- und koproduzierten Krimiserien und -Reihen als Gerichtsmediziner/-innen und Kriminaltechniker/-innen eher als Neben- und Randfiguren auf. Mordfälle werden in deutschen Krimi(-komödien) auch von Pfarrern wie z. B. „Pfarrer Braun“ gelöst. MINT-Protagonisten/-innen sind in den deutschen eigen- und koproduzierten Krimi-, Arzt- und Familienserien kaum zu finden.

Waren unter den Neuerscheinungen der öffentlich-rechtlichen Sender auch einige Comedys und historische Serien-Eigen- und Koproduktionen vertreten, sind diese im Untersuchungszeitraum in 2016 im öffentlich-rechtlichen Programm nicht vorhanden.

Science-Fiction-Genre in deutschen Eigen- und Koproduktionen überhaupt nicht repräsentiert
Das Science-Fiction-Genre ist in deutschen Eigen- und Koproduktionen überhaupt nicht mehr repräsentiert. Das war nicht immer so. Parallel zum Fernseh-Debüt von „Raumschiff-Enterprise“ (im Original „Star Trek“) in den USA eroberte in Deutschland 1966 die erste und bekannteste deutsche Science-Fiction-Fernsehserie „Raumpatrouille – Die fantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion“ den Fernsehbildschirm. Die Schwarz-Weiß-Serie, die seit Jahrzehnten Kultcharakter hat, erreichte bei der Erstausstrahlung in der ARD Einschaltquoten von bis zu 56 % und wurde deshalb oft als Straßenfeger bezeichnet. Es folgte die von Rainer Erler geschriebene und inszenierte fünfteilige Science-Fiction-Filmreihe „Das blaue Palais“, die 1974 mit drei Folgen und 1976 mit zwei weiteren Folgen im ZDF ausgestrahlt wurde und als eine der besten Science-Fiction-Produktionen des deutschen Fernsehens gilt. Danach sind in der deutschen Fiktion keine wirklich nennenswerten Science-Fiction-Serien mehr zu finden.

Im britischen und amerikanischen TV ist die Tradition hingegen fortgeführt worden. Die 1963 erstmals ausgestrahlte BBC-Serie „Doctor Who“ hat als bisher am längsten laufende und erfolgreichste Science-Fiction-Fernsehserie sogar einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde erlangt und gilt als ein wichtiger Teil der britischen Popkultur. Sie hat Kult-Status und beeinflusste Generationen britischer Fernsehproduzenten, die mit „Doctor Who“ aufwuchsen. Seit 2017 wird der dreizehnte „Doctor Who“ von einer weiblichen Hauptfigur gespielt.

1987 startete in den USA die Nachfolgeserie „Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert“ (Original: „Star Trek: The Next Generation“). Die Serie griff in der Tradition des Vorgängers immer wieder brisante gesellschaftskritische Themen auf. Im Programm von ProSieben finden Science-Fiction-Serien und -Spielfilme beim jüngeren Publikum auch in Deutschland nach wie vor begeisterte Fans.

MINT-Themen und Protagonisten/-innen in den auf privaten Sendern ausgestrahlten amerikanischen Serien in allen Genres zu finden
Eigene Analysen, die auf den eingangs erwähnten drei MINTiFF-Konferenzen präsentiert wurden, haben gezeigt, dass demgegenüber in den auf den privaten Sendern ausgestrahlten amerikanischen Kaufproduktionen MINT-Themen und -Protagonisten/-innen nicht nur in Krimis, sondern auch in Medicals, Sitcoms, Science-Fiction- und Mystery-Formaten vertreten sind. In den auf den deutschen Privatsendern ausgestrahlten amerikanischen Krimis und Krimi-Mixgenres wird Anfang 2000 mit „CSI: Crime Scene Investigation“ ein Trend eingeleitet, durch den MINT-Wissenschaftler/-innen zunehmend in Hauptrollen als Teil oder Berater/-innen des kriminalistischen Ermittlungsteams oder auch im Auftrag des Geheimdienstes in der Terror- und Gefahrenabwehr tätig sind (vgl. Kirby 2013). In amerikanischen und auch britischen Produktionen wie „Sherlock“ wird nicht nur auf anschauliche und visuell neuartige Weise der Beitrag verschiedenster forensischer Methoden in sehr unterschiedlichen kriminalistischen Anwendungsfeldern in Szene gesetzt. Es wird auch auf sehr eindrückliche Weise erzählt, wie nicht nur die moderne Ermittlungsarbeit und Verbrechensabwehr naturwissenschaftlich-technologisch aufgerüstet hat, sondern auch das organisierte Verbrechen. So werden nicht nur Fälle zum Thema, in denen moderne Technologien in die falschen Hände geraten und missbraucht werden, sondern auch Fälle, bei denen sich Technologien verselbstständigen und außer Kontrolle geraten. Insbesondere in den auf ProSieben ausgestrahlten Science-Fiction-Krimis wie „Eureka“ und „Fringe“ oder in der britischen Serie „Sherlock“ werden auch sehr mysteriöse, bedrohliche und auf den ersten Blick unerklärbare Fälle und Phänomene zum Thema. Und ebenso ungewöhnlich wie die Fälle, sind auch die brillanten Wissenschaftler/-innen und Nerds, die sich diesen Fällen stellen.

Mit „Dr. House“ erobern seltsame und auf den ersten Blick unerklärbare Fälle, medizinische Hightech-Methoden sowie ungewöhnliche und brillante Geister und Nerds, die sich diesen Fällen stellen, auch das amerikanische Medical-Genre (vgl. Schäfer 2015).

MINT-Themen und professionelle MINT-Milieus und -Programme sowie begabte Mädchen und MINT-Wissenschaftler/-innen und Nerds sind auch in nahezu allen auf ProSieben in 2016 ausgestrahlten Science-Fiction-Serien und Sitcoms sowie in Comedy- und Science-Fiction-Animationsformaten zu finden. Insbesondere das traditionsreiche langlaufende Comedy-Animations-Serienflaggschiff von ProSieben „Die Simpsons“ mit der mathematikbegeisterten „Lisa“ als Protagonistin ist eine wahre Fundgrube verblüffender wissenschaftlicher Ideen. In zahlreichen Folgen finden sich Anspielungen und Verweise, die etwa von Gastauftritten von Stephen Hawking über Evolutionswitze bis hin zu mathematischen Beweisen reichen (vgl. Halpern 2013, Singh 2013).

DER MARKT DEUTSCHER FICTION-PRODUKTIONEN IN BEWEGUNG – MINT IN JÜNGSTER ZEIT AUCH IN DEUTSCHEN EIGEN- UND KOPRODUKTIONEN ZU FINDEN

Seit 2016 ist aber auf den Bildschirmen auch zu erkennen, dass die deutsche Fiction in Bewegung geraten ist. Dies zeigt sich unter anderem im Bereich der Krimiproduktionen. Nicht nur in der bereits erwähnten neuen ZDF-Serienproduktion „Die Spezialisten – im Namen der Opfer“ rücken forensische Methoden und dabei nicht nur Gerichtsmedizinerinnen, sondern auch Kriminaltechnikerinnen mehr ins Zentrum. Im Jahr 2017 kommt beim ZDF auch die Eigenproduktion „Professor T.“ ins Programm, die einen Kriminalpsychologen ins Zentrum stellt.

Im Januar 2017 geht bei Sat1 mit „Einstein“ eine Krimiserie erfolgreich an den Start, in der Tom Beck als Physik-Genie knifflige Mordfälle löst. Und weil die hier genannten neuen Krimiserien mit MINT beim Publikum gut ankommen, werden sie nach Angaben der Sender alle weiterproduziert. Zudem werden in den etablierten und erfolgreichen Krimi-Reihenformaten von ARD und ZDF Fälle erzählt, in denen Roboter und Computerprogramme außer Kontrolle geraten und selbst zu Tätern werden. In der Serie „SOKO Leipzig“ wird vom ZDF Anfang 2017 die Episode „Ein Fall für Rettig“ ausgestrahlt, in der der Leiter eines Forschungslabors von einem Industrieroboter erschlagen wird. Zur Aufklärung sind die Kompetenzen des Kriminaltechnikers Lorenz Rettig unabdingbar. In der Produktion „Echolot“ aus der Krimireihe „Tatort“ von Radio Bremen, der unter der Regie von Claudia Prietzel und Peter Henning produziert und am 30. Oktober 2016 ausgestrahlte wurde, stellt sich heraus, dass ein Computerprogramm namens Vanessa, das Zugriff auf die Steuerungselektronik verschiedener Fahrzeuge hat, einen Unfall herbeigeführt hat. Nicht nur das Krimi-Genre, sondern auch das Historien- und Medical-Genre sind in 2017 in Bewegung geraten.

Für großes Aufsehen und nachhaltigen Publikumserfolg hat in 2017 die aufwendig produzierte Serie „Charité“ gesorgt, eine sechsteilige deutsche Fernsehserie von Sönke Wortmann nach Drehbüchern der Grimme-Preisträgerin Dorothee Schön. Die Serie, die ab dem 21. März 2017 in der ARD ausgestrahlt wurde, spielt im Jahr 1888 und in den folgenden Jahren in einem der weltweit bekanntesten Krankenhäuser, der Berliner Charité. Sie erzählt den Beginn und die Geschichte der medizinischen Forschung. Laut Aussage von Nico Hofmann, dem Produzenten der Serie, lag das Budget bei 1,2 Millionen Euro pro Folge. Die Drehbuchautorin Dorothee Schön wurde von den Experten Karl M. Einhäupl, dem Vorstandsvorsitzenden der Charité, und dem Direktor des Berliner Medizinhistorischen Museums, Thomas Schnalke, beraten.

Der NDR entwickelt aktuell Near-Future-Formate und will dem Science-Fiction-Genre in Deutschland wieder eine Chance geben. Neue Impulse für innovative und international wettbewerbsfähige eigen- und koproduzierte deutsche Serien geben auch die international agierenden privaten Pay-TV-Sender und Streaming-Dienste, die das Genre-Spektrum erweitern und neue Chancen bieten, MINT-Themen und Figuren ins Zentrum zu rücken. Amazon-Video geht in 2017 mit großem nationalem und internationalem Erfolg mit der Thriller-Serie „You Are Wanted“ an den Start, in der Risiken der Digitalisierung und das Thema des digitalen Identitätsdiebstahls aufgegriffen wird. Netflix bringt mit „Dark“ eine deutsche Mystery-Serie an den Start, in der Zeitreisen eine Rolle spielen.

Literatur:

  • ESCH, M. (2011): MINT und Chancengleichheit in fiktionalen Fernsehformaten – Einführung und ausgewählte Ergebnisse einer Programmanalyse. In: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hrsg.): MINT und Chancengleichheit in fiktionalen Fernsehforma- ten. Bonn, Berlin, 6-15
  • ESCH, M. (2013): Wissenschaft soll in Serie gehen. In: Max Planck Forschung 1 | 13, 14-18
  • GEHRAU, V. (2011): Es fehlt Ausgeglichenheit. Interview der Pressestelle der Universität Münster, [Online-Dokument] URL: http://www.uni-muenster.de/unizeitung/2011/1-70.html Date accessed: 29 Jan. 2018
  • GEHRAU V. (2014). Kultivierung von Berufsvorstellungen durch Fernsehen bei Jugendliche. Medien und Kommunikationswissenschaft, 62(3), 417-438.
  • HALPERN, P. (2013): Schule ist was für Versager: Was wir von den Simpsons über Physik, Biologie, Roboter und das Leben lernen können. Rowohlt, Berlin
  • KIRBY, D. A. (2011): Lab Coats in Hollywood: Scientists Impact on Cine- ma, Cinema’s Impact on Science and Technology. Cambridge
  • KIRBY D. A. ( 2013): Forensic fictions: Science, television production, and modern storytelling. In: IAN BURNEY, I., D.A. KIRBY, N. PEM- BERTON (Eds): Studies in History and Philosophy of Science Part C: Studies in History and Philosophy of Biological and Biomedical Sciences. Volume 44, Issue 1, March 2013, Pages 92-102
  • KOHLENBERGER, J. (2015) The Formula for Cool: Science, Technology, and the Popular in the American Imagination. transcript Verlag
  • SCHÄFER, J. (2015): Housemedizin: Die Diagnosen von „Dr. House“. Weinheim
  • SINGH, S. (2013): Homers letzter Satz: Die Simpsons und die Mathematik. München